Dissertation von Dr. med. Eva Heller, Leipzig
Ultrastrukturell-morphometrische Untersuchungen an Kapillaren und Interstitium
im Myokard gesunder und cardiomyopathischer syrischer Goldhamster verschiedener Alterstufen

6. Zusammenfassung

Die Ausschlußdiagnose "Cardiomyopathie" umfaßt definitionsgemäß Myokarderkrankungen, die nicht sekundär durch kongenitale, koronare und rheumatische Herzerkrankungen oder durch arterielle oder pulmonale Hypertonie entstehen.

Diese Gruppe von Herzerkrankungen unklarer Genese (Goodwin 1972) ist in drei Formen zu unterteilen: die dilatative, hypertrophe, kongestive Cardiomyopathie. Bis zum heutigen Tage wurden verschiedene Theorien zur Ätiologie aufgestellt, welche zum Teil heftig umstritten sind und deren Erforschung nicht abgeschlossen ist.

So werden für die Entstehung der hypertrophen Cardiomyopathie vorrangig genetische Faktoren angeschuldigt. Die dilatative Cardiomyopathie scheint das Endstadium ätiologisch und pathologisch unterschiedlicher Erkrankungen zu sein. Virale und immunologische sowie in letzter Zeit auch hier erbliche Komponenten werden diskutiert. Die restriktive Cardiomyopathie kommt in unseren Breiten kaum vor und ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchungen.

In der Literatur finden sich zahlreiche Arbeiten mit qualitativ- und quantitativ- morphometrischen Untersuchungen der Cardiomyozyten auf ultrastrukturellem Gebiet (Bajusz et al. 1966/68, Mohr et Lossnitzer 1972, Büchner et Onishi 1970).

Pathogenetisch werden calciumbedingte intrazelluläre Veränderungen bei bereits bestehenden morphologischen und/oder funktionellen Schäden am Sarkolemm angenommen. Daneben sind Faktoren wie Perfusionsstörungen und nutritive Einflüsse von Bedeutung. Im Bereich der Herzmuskelzellen kommt es zu Myofibrillenveränderungen, welche bis zur Myolyse, Nekrosebildung und bindegewebigem Ersatz sowie schließlich zu Hypertrophie der verbleibenden Muskelzellen führen. Typisch für die primären Cardiomyopathien ist das Vorliegen von Myolyse-, Nekrose- und Fibroseabschnitten inmitten von gesundem Herzmuskelgewebe.

Für die Entstehung der Fibroseherde können ebenfalls verschiedene Theorien aufgestellt werden. Es ist einmal zu diskutieren, ob es über die Veränderung der Zelladhäsion durch Stimulation der Zellen mit PDGF-Wachstumsfaktoren zur Lockerung der Zelle innerhalb der Zell - Matrix - Kontaktstelle kommt, wobei in der Zelle ein Signal zur Zellteilung entsteht. Andererseits wäre es denkbar, daß ein Mechanismus, über Zytokine vermittelt, ähnlich wie bei Entzündungsreaktionen, den Auslöser der Fibrillogenese darstellt.

Eine sowohl qualitativ - wie auch quantitativ - morphometrische Darstellung dieser Entwicklung der Kapillaren sowie des Interstitiums und seiner Komponenten in verschiedenen Altersstufen war das Ziel dieser Arbeit. Dabei interessierten nicht die auffälligen Fibroseherde im interstitiellen Bereich, sondern der scheinbar wesentlich weniger veränderte Zwischenraum. Dazu erschien das Tiermodell des syrischen Goldhamsters des Cardiomyopathiestammes BIO 8262 als besonders geeignet. Klinisch, hämodynamisch und subzellulär ist der Herzmuskelschaden dem der menschlichen Cardiomyopathie vergleichbar.

Die Schäden im Bereich der Cardiomyozyten lassen sich auf elektronenmikroskopischer Ebene in vier Stadien einteilen. Jede typische Veränderung im myofibrillären Bereich geht mit Veränderungen im interzellulären Abschnitt einher.

Hier zeigen die gemessenen primären und sekundären Parameter der Organellen altersabhängig deutliche Differenzen zwischen cardiomyopathischen und gesunden Hamstern. Schon zu Lebensbeginn sind in der Gruppe der cardiomyopathischen und der gesunden Hamster zum Teil unterschiedliche Ausgangssituationen vorhanden. Zu diesem Zeitpunkt finden sich signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Im weiteren Verlauf verstärkt sich diese Tendenz bei den meisten Parametern.

So zeigt sich in der Frühphase, der Prämyolyse der Cardiomyozyten, welche etwa bis zur dritten Lebenswoche reicht, lichtoptisch im interstitiellen Bereich kaum eine Besonderheit. Elektronenoptisch fällt ein verhältnismäßig großer Anteil der Fibrozyten als spindelförmige Zellen mit langen Fortsätzen auf. Diese sind durch viel rauhes endoplasmatisches Retikulum und reichlich Mitochondrien als Zeichen ihrer Aktivität gekennzeichnet. Sie weisen bei den cardiomyopathischen Hamstern einen geringeren Volumenanteil, dafür aber eine signifikant größere Zahl bei insgesamt geringerer Größe als bei den Kontrolltieren auf. Die Kapillaren treten zu diesem Zeitpunkt bei den cardiomyopathischen Hamstern in signifikant größerer Zahl als bei den Kontrolltieren auf. Ihr Endothel ist jetzt bei den erkrankten Tieren signifikant breiter, was für eine Kapillarsprossung in diesem Lebensabschnitt sprechen könnte. Ab der dritten Lebenswoche werden im myofibrillären Teil myolytische Destruktionen, welche das morphologische Bild bestimmen und einzelne Nekrosen deutlich. In diesem Stadium der überwiegenden Myolyse finden sich lichtoptisch Infiltrate von Monozyten und Makrophagen, welche der Phagozytose von Zelltrümmern dienen. Elektronenoptisch scheinen zahlenmäßig mehr und kleinere Fibrozyten vorhanden zu sein, welche sehr aktiv sind. Der Volumenanteil der Bindegewebsfibrillen, welche in großer Menge und mit kleinerem Kaliber vorhanden sind, ist auffallend angestiegen. Die für die allgemeine Entwicklung essentiellen Kapillaren nehmen aber bereits zu diesem Zeitpunkt lichtoptisch in Zahl und Größe ab und zeigen in ihrem Aufbau Veränderungen in Form von Endothelabflachung, Basalmembranverdickung und Abnahme der Vesikelzahl.

Es schließt sich im myozytären Bereich Ende des zweiten Lebensmonats ein Nekrosestadium an. Ab dem vierten Lebensmonat erfolgt die fibrotische Umwandlung der nekrotischen Areale. Das Stadium der Fibrose und Hypertrophie dürfte um den 280.en Tag anzusiedeln sein. Hier scheint ein Zustand relativer Beruhigung eingetreten zu sein. Es kommt kaum noch zur Neubildung von Herzmuskelnekrosen. Die irreversibel geschädigten Bezirke, welche zunehmend fibrotisch umgebaut werden, fallen damit als kontraktionsfähiges Myokard aus. Die Schädigung läuft parallel zur Schwere der kardialen Funktionseinschränkung.

In gleicher Weise verläuft der nekrotische Umbau im restlichen Interstitium. Es enthält wenige, relativ kleine Fibrozyten neben einer großen Zahl kleinkalibriger Fasern. Die wenigen Kapillaren sind klein, mit verhältnismäßig flachem Endothel, welches reichlich Vesikel enthält, um dem Stofftransport aufgrund des hohen Nährstoffbedarfes bei bestehender Herzzellhypertrophie gerecht zu werden, und haben eine sehr breite Basalmembran. Der terminale Herzschaden ist makroskopisch durch erheblich dilatierte Ventrikel, mikroskopisch durch stark hypertrophierte und degenerierte Myozyten und subzellulär durch eine ausgeprägte Fibrosierung und Kalzifizierung gekennzeichnet. Der Anteil der Fasern ist im Interstitium im Vergleich zu den anderen Bestandteilen wie Fibrozyten, Matrix und Kapillaren überwiegend. Die Kapillaren können in ihrer geringen Zahl, mit ihrem schmalen Endothel und wenigen Endothelvesikeln sowie ihrer dicken Basalmembran dem erhöhten Stoffbedarf nicht mehr gerecht werden.

Die gefundenen Ergebnisse stellen eine Zusammenfassung der zellpathologischen Entwicklung der Myokardkapillaren und der interstitiellen Komponenten bei cardiomyopathischen Hamstern dar, wobei Fibrose- und Nekroseherde ausgespart wurden.

Aufgrund des Fehlens deutlicher Entzündungsmerkmale in der Umgebung von Gefäßen bzw. in Gefäßwänden ist nicht davon auszugehen, daß es sich bei der Entstehung des vorliegenden Krankheitsbildes um eine entzündliche Genese handelt.

Vielmehr ist anzunehmen, daß die Veränderungen das Resultat eines vielfach diskutierten Gendefektes sind und es sich um sekundäre interstitielle Umbauten infolge der Herzmuskelzelluntergänge handelt.

Die vorliegende Arbeit dient als Grundlage für weiterführende Forschungen an Myokardkapillaren und Interstitium bei Cardiomyopathie, wie sie in Form von histomorphometrischen Untersuchungen an Myokardbiopsien sowie Untersuchungen zum Kollagenspektrum geschädigter Herzmuskelzellen zur Zeit am Anatomischen Institut Leipzig laufen.

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